Jucy - Freiheit, Abenteuer und ein bisschen Qual
- Basti
- 7. Dez. 2016
- 5 Min. Lesezeit
40 Tage Leben in einem Auto
Amerika. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2016. Dies sind die Abenteuer des Jucy Dodge Campervans, der mit seiner 2 Mann starken Besatzung 40 Tage unterwegs ist, um fremde Nationalparks zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt der Jucy in Galaxien vor... Moment! Lichtjahre? Wasssss?
Ich wache auf. Es ist kalt, meine Bettdecke ist von oben leicht gefroren. Draußen höre ich nicht viel. Es ist sehr still. Nur ein paar Vögel zwitschern und in der Ferne höre ich das Rauschen eines Baches.
Nix fremde Galaxien, denk ich. Das hier ist Yosemite, Kalifornien, USA, bitterkalt! Ich wage einen Blick aus dem Auto. Es wird langsam hell, zu meiner Verwunderung liegt doch kein Schnee draußen. Ich werfe die Decke zur Seite, ziehe schnell Jacke und Schuhe an und klettere über die Leiter nach unten. Runter vom Autodachzelt, ab in die - etwas - wärmeren Waschräume der Campinganlage. Danach Jenny wecken, sie hat unten im Auto geschlafen, weil es dort wärmer ist. Für diese Nacht war das eine kluge Entscheidung.
Zusammen bereiten wir Frühstück zu. Und dann im Auto, nachdem das Bett wieder eingeklappt ist, auf der Rückbank stärken für den Tag.
So oder so ähnlich starten einige der insgesamt 40 Tage, die wir mit dem Jucy Campervan "Champ" unterwegs sind in den USA.
Aber was genau ist Jucy eigentlich?
Wir haben Jucy über Videos anderer Reisender kennengelernt.
Es handelt sich um einen umgebauten Dodge Caravan mit knapp 5,20m Länge und einer eigentlichen Höhe von 2,10m. Obendrauf ist wie eine Art Dachbox montiert, auf der ein Zelt verschraubt wurde, was den Wagen auf über 2,50m Höhe erweitert. Bei unserem ersten Jucy konnte man das Zelt von innen elektronisch ausfahren, beim zweiten Wagen ging es per Handkurbel.
Ersteres wurde zum Schrägdachzelt, beim zweiten hatte man durch gerades Ausfahren in die Höhe deutlich mehr Platz zum liegen. Für 2 nicht allzu große Personen reicht es aber in beiden Fällen, dort oben zu schlafen.
Durch umklappbare Sitzbänke im Wageninneren kann man dort auch schlafen, der Platz ist etwas begrenzter, hier würde ich Leuten über 1,70m nicht empfehlen, mehrere Nächte zu verbringen. Vor allem nicht zu zweit. ;-)
Als weitere wichtige Spezifikation muss die Küche im Kofferraumbereich erwähnt werden. Hier hat man eine richtige kleine Küchenzeile mit Spüle, Kühlschrank, Geschirr, Besteck, Wasser- und einem Gaskocher. Ein weiterer portabler Gaskocher ist hier ebenfalls verstaut.
Wenn uns jemand auf den Wagen angesprochen hat und gefragt hat, ob uns denn nichts fehlen würde, haben wir immer gesagt: Es ist alles da, außer Toilette und Dusche.
Als wir unseren Jucy in Los Angeles abholen, wird mir erst mal schlecht. Ich bin zwar in Deutschland immer wieder Auto(s) gefahren, aber selten einen so langen Wagen. Und das viel größere Problem ist die Automatik, wenn man bisher nur Gangschaltung kannte. Dazu noch der Stadtverkehr von LA... Wird super!
Die Einweisung ins Auto und was es alles kann, fällt etwas kurz aus, da hätten wir uns etwas mehr Unterstützung gewünscht. Die wichtigsten Dinge wie Schalten, Dach ausfahren, Bett(en) umbauen usw. hat man uns aber erklärt. Dazu bekommen wir noch ein Set mit Bettwäsche, Handtüchern und sogar einen Campingtisch. Stühle konnte man auch zubuchen, haben wir uns aber günstiger selbst im Walmart besorgt.
Wir haben dann auch noch gratis vom Team eine Zusatzdecke und 2 USB-Lader fürs Auto bekommen.
Wer sich wie wir einen 12-Volt-Konverter zusätzlich besorgt, kann dann auch seine Ladegeräte von Tablet, Handys und Co. anschließen. Leider reicht die Power nicht aus, um einen Fön oder kleinen Heizlüfter zu benutzen.
Gaskartuschen mussten wir dann noch extra kaufen. Mit 8 Kartuschen kamen wir gut hin für 40 Tage.
Etwas günstiger kann man die aber auch in den meisten Walmärten oder Outdoorläden, etc. kaufen.
Nach 3 Wochen Roadtrip und genau an Tag 100 unserer Weltreise macht der Jucy plötzlich schlapp. Im Laufe der letzten Tage gingen schon am Zelt oben Reißverschlüsse kaputt, das Warnsignal als Abstandsmesser beim Rückwärtssetzen piepte dauerhaft und die Leiter geriet einseitig aus ihrer Halterung und schrammte am Wagendach entlang. Der K.O. kam dann aber, als die Motorkontrollleuchte sich meldete. Wir haben das Auto schnell zur Werkstatt gebracht, dort konnte man das Problem aber nicht beheben und riet uns, nicht mehr allzu viele Kilometer mit dem Wagen zu machen. Super. War ja gerade Halbzeit und noch ca. 2000 Meilen lagen vor uns.
Nach ein paar Mails und einem Telefonat mit der super netten Managerin (ernstgemeint!) von Jucy aus Las Vegas erreichen wir einen Fahrzeugwechsel. Der neue Jucy wird uns in den Kodachrome Park gebracht. Zwar mit einiger Verspätung und etwas nervenaufreibend. Aber jetzt haben wir wieder einen fahrtüchtigen Wagen und können die Reise fortsetzen. Zudem erhalten wir später, als wir dann in Las Vegas ankommen, noch eine nette "Kompensation". Unter anderem können wir den Wagen 3 Tage länger (gratis) weiterfahren und müssen uns wegen der zuviel gefahrenen Kilometer keine Sorgen machen. Das entschädigt für die Strapazen rund um den Fahrzeugwechsel.
Was wir nicht wirklich verstanden haben, waren die neuen - zugegeben, kleineren - Macken des 2. Jucy. Dieses Fahrzeug wurde erst im März 2016 zugelassen. Also hatte man bei Jucy viel Zeit, das Beste aus allen Vorgängermodellen zu machen und die Fehler abzustellen.
Uns hat es sehr gestört, dass wir plötzlich die Fenster mit Saugnäpfen zu befestigendem Sichtschutz abdunkeln mussten. Das hat endlos gedauert, bis die Saugnäpfe mal an der Scheibe kleben geblieben sind. Und mit jedem Tag wurde es schwerer und das Auto leider nie richtig dunkel. Im ersten Wagen war dies mit Druckknöpfen viel besser geregelt.
Auch mussten wir das Zelt nun hochkurbeln per Hand. An sich eine nette Kraftübung, aber ein Rückschritt gegenüber dem elektronischen Hochfahren vorher. Und Türöffnen ging auch nur noch per Hand, vorher mit dem Schlüssel auf Knopfdruck.
Dann muss man generell zu der Fahrzeugreihe der Campervans sagen, dass hier eine gewisse - nervige - Routine am Tag nötig ist, um den Wagen auch entsprechend nutzen zu können.
Da wir uns beim Schlafen häufig aufgeteilt haben, mussten wir unten im Wagen jedes Mal das Bett erst mal ausklappen. Dazu mussten wir aber auch alle im Wagen verstauten Sachen von uns raus räumen, um sie dann entweder im Vorderbereich zu deponieren über Nacht, oder sie nach dem Ausfahren unter das Bett schieben. Je nachdem, was man also alles so mit hat - und wir hatten aufgrund der langen Zeit einiges Equipment dabei - dauert dieses Umkramen einiges an Zeit. Und das ja dann morgens in umgekehrter Abfolge erneut.
Für eine kurze Mietdauer ist das vielleicht kein Problem, aber irgendwann wird es dann doch lästig. Vielleicht haut Jucy demnächst hier noch in naher Zukunft die ultimative Verbesserung raus, wir würden es ihnen wünschen.
Nach einigen Kilometern Fahrt habe ich mich übrigens ganz gut an Automatik und Länge des Autos gewöhnt, einparken ging dann irgendwann auch in engere Lücken seitlich wie rückwärts.
Und so kann man als Fazit festhalten, dass wir die meiste Zeit gern im Jucy unterwegs waren. Es hat Vorteile gegenüber den noch viel größeren Campingwagen, denn man kommt trotzdem noch überall hin, gerade in Städten. Und es hat Vorteile gegenüber einem "normalen" Leihwagen, denn man hat mit Jucy immer die Option, im bzw. auf dem Auto zu schlafen. Und wenn es einem doch mal zu kalt wird, kann man dann ja immer noch ein warmes Hotelzimmer buchen und den Jucy auf dem Parkplatz abstellen. Die Mehrkosten gegenüber einem Leihwagen halten sich in Grenzen. Wir haben 53€ am Tag bezahlt. Wenn man früher bucht als wir, wird es vielleicht noch etwas günstiger.
Was wir aber ehrlich sagen müssen: 40 Tage sind etwas zu lang nur im Auto. Für 2-3 Wochen Rundreise USA passt das mit Jucy, uns wurde es gegen Ende hin immer anstrengender und man merkte dem Körper auch mit jedem Tag mehr die nicht ganz so super weichen Matratzen an. Es hat halt alles Vor- und Nachteile.
Falls wir auf unserer Reise in Neuseeland oder Australien vorbeikommen, werden wir aber trotzdem wieder über die Option "Jucy" nachdenken. Dann vielleicht aber doch ein etwas größeres Modell. :-)
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